Sein oder Tun. Brauche ich Leidenschaft in meinem Team? 

Zwischen den Jahren stand wie immer Reflexion auf dem Programm. Tabea wurde von ihrer Coachin aufgefordert zu schreiben. Sie sollte schreiben, ohne Punkt und Komma, ohne abzusetzen, egal was, das, was sie dachte, wenn sie nichts dachte, sollte sie nichts schreiben, also das Wort nichts. 

Tabea versinkt in Gedanken und schreibt. 

Seit gut einem Jahr ist sie Führungskraft von einem großen Team. Im Dezember im letzten Jahr wurde sie gefragt, ob sie sich zutraut, die Leitung eines neu zusammen gemischten Teams zu übernehmen. 14 Personen sind es insgesamt, 4 aus dem einem Team, 10 aus dem anderem. Die Idee beide Teams zu mischen kam nicht unfreiwillig. Die Leitung des einen Teams hatte gekündigt, die Leitung des  anderen Teams wollte nicht die Gesamtleitung übernehmen.

Heterogene Teams – eine Herausforderung

 Heterogener können zwei Teams nicht sein. Das eine junge kleine vierköpfige Team, agil und diskussionsfreudig, das andere Team hingegen mit einem Altersdurchschnitt von 40 erfahren und eingespielt in den Tätigkeiten. Tabea war die Geschwindigkeit des jungen Teams teilweise zu schnell, zu unüberlegt, zu wenig strategisch, sie dachte oft, das Team machte erst und überlegte danach, ob es gut war oder nicht. Allerdings sprudelte es über an neuen verrückten und innovativen Ideen. Im „alten“ Team wurde genau das getan, was gesagt wurde. Das, was das Team ablieferte, war exzellent. Innovationen, verrückte oder kreative Ideen, kamen aber nur selten. 

Nach 15 Minuten wird Tabea von ihrer Coachin aufgefordert, über ihr Geschriebenes zu reflektieren. 

Emotionslosigkeit als gute Voraussetzungen für Kritik

„Ich hatte vor zwei Wochen eine Situation die mich im Nachhinein beschäftigte. Eine junge Mitarbeiterin, Lina, stellte ihre Arbeitsergebnisse vor und bekam vom „alten Team“ heftigste Kritik, warum das, was sie sich überlegt hatte, etwas kurz gedacht war, welche Aspekte fehlten und was so gar nicht geht. Das Team war gnadenlos. Was ich beobachtete, war faszinierend. Lina hörte es sich an, frage nach, verbesserte ihre Lösung, stellte diese wieder zur Diskussion, wieder und wieder. Was mich faszinierte, war ihre distanzierte Art zu ihrer Arbeit. Emotionslos und offen für kritische Rückmeldungen. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich gedacht, herausragende Arbeit steht in Korrelation mit Leidenschaft, was wiederum hoch emotional ist. Das, was an dem Tag im Team entstand, war eine herausragende Arbeit. Nun frage ich mich, ob Leidenschaft bei der Arbeit überhaupt gut ist? Wie oft ist es vorher zwischen Mitarbeitern eskaliert, weil zu viel Leidenschaft im Team existierte. Brauche ich überhaupt Leidenschaft für die Arbeit in meinem Team?“

Die eigentliche Frage ist: Sein oder Tun?

Wenn es darum geht etwas zu sein, dann geht es um das Ego, darum, das alles, was von dir ist, deins ist, und einen Teil deiner Identität ausmacht. Natürlich wächst du da über dich hinaus. Überschreitest Grenzen für das, was du tust. Und wegen der investierten Leidenschaft wird Kritik natürlich nicht emotionslos aufgenommen. Weil all deine Leidenschaft in der Sache steckt. Wenn du dich hingegen für das Tun entscheidest, geht es um das Ergebnis, was unabhängig von deinem Sein ist. In dem Moment zählt nur das Ergebnis, egal ob du einen Beitrag dazu leisten konntest oder nicht. Wenn du das stehen lassen kannst, wenn du es ertragen kannst, andere nur dabei zu unterstützen auf Lösungen zu kommen, dann geht es dir ums Tun. Ist es dir hingegen wichtig, dass du sichtbar und relevant bist, dann geht es ums Sein und das ist dein EGO. 

Komplementär Ergänzendes

In der Farbenlehre werden die Farben als komplementär bezeichnet, die gemischt die Farben schwarz und weiß ergeben. Komplementär steht aber nicht nur für Gegensätzliches, sondern auch sich Ergänzendes. 

Manchmal ist es nicht das Team, sondern die Leidenschaft einer Person, die zu besonderen Ergebnissen führt. Dann wiederum ein Team. Oder die Kombination aus einer leidenschaftlichen Person und einem Team im Hintergrund. Gerade in sehr heterogenen Teams gibt es so viele unterschiedlichen Kombinationen an innovativen Lösungen, wie es Farben gibt. 

Ambiguität als Weg

Wie so oft ist Tabea nach der Sitzung nachdenklicher als vorher. Tabea wollte wie immer genau einen Weg, den sie gehen kann, den einen richtigen Weg. Dafür machte sie doch das Coaching. Was sie erhält, ist Ambiguität. Langsam beginnt sie es zu mögen. 

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